Choises Of Life hat zur Blogparade Reisetipps 2019 aufgerufen. Unser Reisetipp 2019 ist das süditalienische Städtchen Matera. Neben Aleppo in Syrien ist Matera eine der ältesten Städte überhaupt. Im kommenden Jahr 2019 ist Matera neben dem bulgarischen Plowdiw Europäische Kulturhauptstadt.
Wir haben im Rahmen unserer Reise durch den Stiefelabsatz Italiens diese äußerst sehenswerte Stadt besucht und waren begeistert.
Die ganze Stadt besteht aus Sand- und Tuffstein und verleiht ihr ein einzigartiges Gesicht. Sie liegt in einer urzeitlichen Landschaft und sieht mit ihren antiken Gemäuern so altertümlich aus, dass Matera immer wieder Filmregisseure fasziniert. Daher diente Matera in zahlreichen Filmen als Kulisse.
In den sechziger Jahren drehte Pier Paolo Pasolini Szenen des “Matthäusevangeliums”. International bekannt wurde die Stadt der Sassi durch den Mel Gibson Film “Die Passion Christi”. Die Höhlenwohnungen sind einfach eine perfekte Kulisse für Filmaufnahmen.
Die Stadt der Sassi
Sassi bedeutet übersetzt „Steine“. Heute sind mit den Sassi die Höhlenwohnungen gemeint, die einfach aus dem Stein geschlagen wurden. Der weiche Tuffstein ermöglichte es, natürliche Höhlen leicht zu erweitert. So grub man ganze Wohnungen in den Berg. Mit dem abgetragenen Stein verschlossen die Baumeister die Öffnungen der Höhlen und erweiterten diese auch durch davorgesetzte Anbauten. Die Höhlen selbst wurden teilweise zu stark verzweigten Komplexen unterirdischer Räumlichkeiten ausgebaut.
Neben- und übereinander geschachtelt entstand so im Laufe der Jahrtausende eine Höhlenstadt im Felsen, ein Netzwerk aus Höhlenwohnungen, ein Labyrinth aus engen Gassen und kleinen Plätzen, oberhalb einer Schlucht, durch die sich der Fluss Gravina schlängelt
Gute Schuhe sind eine Voraussetzung für den Besuch der Sassi, denn es erwartet einen ein hügeliger Hindernislauf.
Auf glatt poliertem, rutschigem Kopfsteinpflaster geht es treppenreich bergauf und –ab, vorbei an verlassenen um- und überbauten, an restaurierten, einer neuen Verwendung zugeführten Grotten und vorbei an kleinen Geschäften und Lokalen.
Besuche unbedingt die Zisterne von Matera
An der Piazza Vittorio Veneto befindet sich der Eingang zur unterirdischen Zisterne von Matera, die man unbedingt gesehen haben muss. Während einer 30 minütigen Besichtigungstour, die auch in englischer Sprache angeboten wird, wird den Besuchern die Geschichte der Trinkwasserversorgung Materas nahe gebracht.
Die Bewohner der Stadt legten ein Netz aus unterirdischen Kanälen an, um Regen-, Tau- und Quellwasser in einer Zisterne, der Palombaro lungo, in einem tiefer gelegenen Teil der Stadt aufzufangen. Die gigantisch große Zisterne gleicht einer unterirdischen Kathedrale und ist sehr beeindruckend. Die Palumbaro ist mit einer der Gründe für die Ernennung Materas zum UNESCO Weltkulturerbe.
Höhlenkirchen und -wohnungen der Sassi
In der Sassi gibt es unzählige Kirchen. Die größte Höhlenkirche Materas ist die San Pietro Barisano. Sie ist ein perfektes Beispiel für die typische Architektur der Sassi: Es handelt sich dabei um eine Höhlenkirche aus dem Jahr 1000. Die heutige Fassade wurde 1755 davor gebaut. Im Kirchenschiff beheimatet ein paar erhaltenen Fresken. Interessant sind die Katakomben. In ihnen wurden die Gemeindemitglieder begraben. Ungewöhnlich ist, dass sie im Sitzen in Nischen bestattet wurden, wahrscheinlich aus Platzgründen. In Matera gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts keinen Friedhof. Die wohlhabenderen Bewohner wurden unter den Kirchen begraben und die Armen bestatteten ihre Toten in ihren Höhlenwohnungen indem sie tiefe Löcher in den Felsen gruben.
Eine weitere Kirche ist San Pietro in Monterrone. Auch hier sind einige wenige Fresken erhalten, besonders schön ist von hier aus der Blick über die Stadt.
Die Kirche Santa Lucia alle Malve diente zuletzt als Wohnung und kann ebenfalls besichtigt werden. Im Eintrittspreis, der hier verlangt wird ist die Besichtigung einer noch komplett eingerichteten Höhlenwohnung enthalten.
Das Leben der Menschen in den Sassi ist hier gut nachzuempfinden. Der große Raum einer Grotte diente als Wohnung für eine ganze Familie mit ihren Haustieren. Angrenzend an diesen Raum habe es noch zwei-drei kleine Aussparungen oder Räume. In der Nähe des Haupteingangs befand sich die Feuerstelle mit ihrem Abzug.
Mehrere Familien teilten sich einen “recinto”, einen kleinen Vorplatz, auf dem die Kinder spielten und sich das täglich Leben abspielte.
Auch das Museo Palazzo Lanfranchi gibt einen Einblick in das frühere Leben in der Sassi.
„La vergogna d’Italia“, die Schande Italiens wird Unesco Weltkulturerbe
Als „la vergogna d’Italia“, die Schande Italiens ging Matera in den 1950er Jahren, in die Geschichte Italiens ein. Unter unvorstellbar unzumutbaren hygienischen und ärmlichen Bedingungen lebten damals noch rund 15.000 Menschen in den Sassi. Auf engstem Raum bewohnten sie zusammen mit ihren Tieren, Hühnern, Schweinen und Eseln die Höhlen. Aufgrund von Malaria und anderen Krankheiten starben rund 50 Prozent der Kinder. Damals die höchste Rate Italiens.
Unter Zwang siedelte die Regierung die Bewohner in einen neu gebauten Stadtteil um, die Sassi verfielen. Erst in den 1980er Jahren begann man mit der Restaurierung. 1993 ernannte die Unesco die Sassi zum Weltkulturerbe.
Heute leben und arbeiten wieder Menschen in der Sassi, es gibt Geschäfte, Hotels, Restaurants, Cafés und es gibt ganz viel zu sehen.
Erstaunt hat uns, dass diese besuchenswerte Stadt von Touristenströmen noch nicht überschwemmt wird. Zwar sind die Besucherzahlen in den letzten Jahren gestiegen, dennoch aber ist der Ansturm überschaubar. Viele Italienbesucher haben noch nie etwas von Matera gehört. Auch auf uns traf dies zu.
Das Kulturhauptstadtjahr
Viele Einheimische freuen sich auf 2019. Etliche jedoch stehen der Nominierung zur Kulturhauptstadt skeptisch gegenüber. Sie befürchten eine „Übertouristisierung“, die der Lebensqualität der Stadt schaden wird.
Für das Kulturhauptstadtjahr wartet Matera mit einem vielseitigen Programm auf. Dabei müssen bei den Projekten 30 Prozent der Teilnehmer aus Europa stammen, 30 aus der Region Basilicata und 30 aus Matera. Weitere Infos bietet die Webseite Matera 2019.
Anreise nach Matera
Bari ist der nächstgelegene Flughafen von dem Matera am schnellsten zu erreichen ist. Knapp 60 Kilometer sind es dann noch mit dem Auto. Vom Airport Bari Palese besteht eine Busverbindung nach Matera. Das Ticket liegt bei circa drei Euro. Flüge nach Bari werden von mehreren deutschen Flughäfen angeboten. Ab Hauptbahnhof Bari besteht eine Zugverbindung nach Matera. Das Ticket für die zweistündige Fahrt kostet fünf Euro. Die Züge verkehren außerhalb von Feiertagen stündlich.
Die Anreise mit dem eigenen Fahrzeug lohnt nur im Rahmen eines Urlaubs in Süditalien. Entfernung München – Matera rund 1250 Kilometer. Wir haben mit dem Wohnmobil eine Rundreise am Stiefelabsatz unternommen und hierbei Matera entdeckt.
Übernachtung in Matera
Für eine Übernachtung in Matera bieten sich die zahlreichen Airbnb – Unterkünfte an. Oft sind in sie in ehemaligen und restaurierten Höhlensiedlungen in den Sassi untergebracht. Die Preise liegen je nach Ausstattung zwischen 30 und 130 Euro/Nacht. Bei den Drei- oder Vier-Sterne-Hotels beginnen die Preise ab 70 Euro/Nacht.
Vielleicht interessiert dich auch unser Reisebericht Italiens Stiefelabsatz., in dem wir unsere Reise durch den Salento beschreiben.
Danke für den sehr interessanten Bericht. Ich kann nur bestätigen, dass sich ein Besuch lohnt. Die Stadt Matera in der süditalienischen Basilikata steht auf historischem Untergrund, denn die Besiedlung reicht 9 000 Jahre zurück. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Bewohner der Felsenwohnungen in Wohnblocks umgesiedelt, da die Lebensumstände geradezu erschreckend waren. Carlo Levi hatte mit seinem Buch ‚Christus kam nur bis Eboli‘ das politische Bewusstsein für die menschenunwürdigen Wohnungen geschärft. Aus den als nationaler Schande empfundenen Sassi resultierte 1993 die Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe. Und sie trugen auch zum Titel ‚Kulturhauptstadt Europas 2109‘ bei, mit dem sich Matera jetzt schmücken darf.
Mehr dazu in: „Matera: Von der nationalen Schande zum Weltkulturerbe. Kulturhauptstadt Europas 2019 macht Geschichte lebendig“ – http://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/matera-von-der-nationalen-schande-zum-weltkulturerbe/